Telematikinfrastruktur
14. Juni 2022·4 min. Lesezeit

Digitalisier­ung im Gesund­heitswesen

Im Gesundheitswesen gibt es noch sehr viele analoge Prozesse und große Papierstapel. Doch warum ist das eigentlich so?

Christin Woelk
von Christin Woelk
Digitalisier­ung im Gesund­heitswesen

Nicht zuletzt die Corona Pandemie hat gezeigt, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hinterherhinkt. Im März 2020 mussten von jetzt auf gleich viele Prozesse remote ausgeführt und vieles digital abgebildet werden. Doch die digitale Infrastruktur in Deutschland ist darauf nicht vorbereitet gewesen.

Stakeholder im Gesundheitswesen

Auch im Gesundheitswesen gibt es noch sehr viele analoge Prozesse und große Papierstapel. Doch warum ist das eigentlich so? Werfen wir einmal einen Blick auf die Stakeholder im Gesundheitswesen. Wir haben zum einen die Patient:innen, die Leistungsempfänger sind. Leistungserbringer sind Ärztinnen und Ärzte in Kliniken oder niedergelassenen Praxen sowie die sonstigen Leistungs­erbringer im Gesundheitswesen zu denen unter anderem Pflegedienste, Physio-, Logo-, Ergotherapeuten, Hebammen, Sanitätshäuser, Orthopädie-Schuhtechniker, Optiker, Hörgeräteakustiker und sogar der Krankentransport zählt. Die Apotheken versorgen Patient:innen mit Medikamenten und die Krankenkassen kommen für die erbrachte Leistung der jeweiligen Leistungs­erbringer auf. Grob gesagt gibt es fünf unterschiedliche Stakeholder-Gruppen, die sich zum Teil auch noch in weitere Untergruppen aufgliedern.

Digitalisierungskanäle pro Stakeholder

Soweit erst mal so gut, im Grunde müsste aber doch zumindest in der Mehrheit der aufgezählten Stakeholder-Gruppen ein großes Digitalisierungs­potenzial herrschen. Immerhin verfügt ein Großteil der Patient:innen über einen Computer und auch ein Handy, wenn nicht sogar ein Smartphone. Krankenkassen setzen eine Software ein, Arztpraxen verfügen über ein Praxisverwaltungs­system (PVS) und Apotheken haben in der Regel ein Warenwirtschaftssystem, mit dem sie arbeiten. Bei den sonstigen Leistungserbringern ergibt sich ein etwas anderes Bild, da viele zwar eine Software (z.B. für die Terminplanung und/oder die Abrechnung) nutzen, es aber immer noch einige gibt, die nicht einmal einen Rechner in ihrer Praxis oder ihrem Betrieb haben. Daraus ergeben sich zwei Heraus­forderungen:

  • Stakeholder, die digitale Lösungen nutzen, haben alle ganz unterschiedliche Systeme und Software, die siloartig komplett in sich geschlossen sind und nicht miteinander kommunizieren können
  • Einige dieser Stakeholder setzen noch kein digitales System ein

Der kleinste gemeinsame Nenner ist also nach wie vor das Papier und somit der ausgedruckte Arztbrief, der Befund per Fax oder der Medikations­plan als physischer Zettel. Die einheitliche Digitalisier­ung ist somit kaum möglich.

Digitalisierung als Lösung

Was im ersten Moment paradox klingt, ist allerdings auf den zweiten Blick unumgänglich. Eine einheitliche Digitalisierung ist unter gegebenen Umständen nicht möglich und doch ist sie der Weg hin zu einer besseren Patient:innenversorgung, einem erleichterten Arbeitsalltag und insgesamt besseren Bedingungen für alle Akteure und Stakeholder im Gesundheits­wesen.

Es gibt bereits erste Aktivitäten diese analoge Situation inmitten von Papierbergen zu ändern. Eines der wichtigsten Stichworte ist hierbei die Interoperabilität. Doch was bedeutet das? Interoperabilität stellt sicher, dass alle Systeme im Gesundheits­wesen miteinander sprechen können, eben interoperabel über alle Lösungen hinweg sind. Damit ist sichergestellt, dass die eingesetzten Software-Lösungen und Verwaltungs­systeme eben nicht in sich geschlossen sind und durchaus miteinander kommunizieren und Daten austauschen können. Aber wie können wir nun Interoperabilität erreichen? Die Antwort darauf lautet: Durch die Telematik­infrastruktur. Klingt kompliziert, ist es leider auch. Die Telematik­infrastruktur (kurz TI) ist ein abgesichertes, digitales Netzwerk, dass alle Akteure miteinander verbindet und einen schnellen, sicheren und einheitlichen Austausch hochsensibler Daten aus verschiedenen Quellen sicherstellt. Die TI wird oft als Daten­autobahn des Gesundheits­wesens bezeichnet und ist durch die Vorgaben seitens des Gesetzgebers eines der sichersten Netzwerke weltweit und damit leider auch sehr komplex. Das Ziel ist zum einen die bessere Patienten­versorgung durch Einsicht in vorherige Befunde und Behandlungs­historien der Patient:innen und eine deutliche Erleichterung des Betriebs- und Praxisalltags der Akteure im Gesundheitswesens. Die Telematik­infrastruktur ermöglicht deutlich einfachere, schnellere Kommunikation und Wege zu anderen Stakeholdern und Leistungserbringern im Gesundheits­wesen.

Das Herzstück der TI sind die so genannten Fach­anwendungen, von denen einige bereits umgesetzt wurden. Dazu zählen unter anderem die elektronische Patientenakte (kurz ePA), der elektronische Medikations­plan (kurz eMP), das elektronische Rezept (eRezept), und KIM – Kommunikation im Medizinwesen. Einen detaillierten Überblick dazu gibt es in unserem Blogbeitrag‚ Fach­anwendungen der Telematik­infrastruktur.

Der Rollout der TI erfolgt in verschiedenen Phasen: (Zahn-)Arztpraxen und Kliniken sind bereits weitestgehend angebunden, danach folgten die Apotheken und nun folgen Schritt für Schritt weitere Leistungserbringer wie Pflegebetriebe, Physiotherapeuten und Hebammen, bevor sukzessive alle weiteren Leistungserbringer angeschlossen werden. Im Jahr 2026 soll der Rollout abgeschlossen sein und alle Akteure des Gesundheits­wesens im Netz der Telematikinfrastruktur angebunden sein.

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